LS (2003) Hervorragende
Wissenschaftler wie Fußballstars? Talent – Teammittelpunkt – Transfer. die-Besten-nennen 5: www.die-besten-nennen.de
© Vless Ebersberg, 2003
Inhaltsverzeichnis
Die Studie – erfolglose Professoren drücken das Niveau von Autorengemeinschaften
Die Guten produzieren nicht nur mehr, sondern werden pro Arbeit öfter zitiert
Auf die Kopftalente kommt es an
Literaturverzeichnis
Beim Teamsport wie Fußball sind extrem leistungsfähige Sportler
von hoher Bedeutung. Deshalb werden für ihre Transfers zwischen den Vereinen
immense Geldsummen ausgegeben.
Was kennzeichnet sie im Vergleich zu den weniger herausragenden
Fußballkameraden?
Ihr Talent wird früh erkennbar
Das Niveau ihres Könnens bleibt während der rund zehn Jahre an Sportlerkarriere relativ stabil (die Leistungen sind im Großen und Ganzen auffällig gut, werden im Vergleich zu denen der Fußballerkameraden nicht durchschnittlich oder gar unterdurchschnittlich)
Sie bilden einen Mittelpunkt der Mannschaft und tragen wesentlich zu deren Gesamterfolg bei; die Mannschaft organisiert sich von selbst um sie herum oder wird um sie herum aufgebaut
Die Öffentlichkeit interessiert sich in höherem Ausmaße für sie und nicht für den mittelmäßigen Fußballer
Sie erzielen als Profis im Vergleich deutlich höhere Einnahmen
Für das geistige Leistungsgebiet, wo die Differenzen viel größer als im körperlichen Wettbewerbsbereich sind, hat sich eine derartige Betrachtung noch nicht durchgesetzt, vielleicht weil man die Bedeutung der individuellen Kopfleistung als zeitlich stabile Größe noch nicht voll erkannt hat. Dabei liegen Vergleiche zwischen Fußballgrößen und hervorragenden Wissenschaftlern auf der Hand. Darauf machte R. Plomp bereits im Jahr 1994 in den Schlussbemerkungen zu seinen empirischen Untersuchungen professorierter Wissenschaftler aufmerksam (siehe Rahmen).
Plomp (1994, Seite 392): „It is surprising that it seems to be difficult to recognize the major role of personal talent in science as it is so well-known in many other fields to human activity. The extremely high amounts of money involved in transfer actions in soccer demonstrate how important the abilities of the individual players are considered to be in this group sport which, just as in citation, is highly determined by a great many accidental factors. Why should the significance of the individual not be recognized more explicitly in science.?”
Auf welche Untersuchungsergebnisse stützt sich der niederländische Medizinprofessor R. Plomp?
Plomp untersuchte die wissenschaftlichen Beiträge von 748 Professoren. Seine erste Feststellung war:
Zwischen den Professoren herrschen große Unterschiede darin, durch ihre Veröffentlichungen erheblich zum internationalen Fortschritt beizutragen.
Er teilte sie nach der Anzahl ihrer Veröffentlichungen, wie viel
sie zum internationalen Fortschritt beitrugen, in drei Gruppen ein: wenig,
mittel, viel. Die Hälfte der Professoren gehörte zu denen mit nur geringen
Beiträgen zum internationalen Fortschritt.
An den drei Gruppen stellte Plomp folgendes fest:
Schon früh in ihrer akademischen Karriere, also bevor sie Professoren waren, unterschieden sie sich sehr stark darin, wie viel sie (gemessen an den Zitationen) zum internationalen wissenschaftlichen Fortschritt beitrugen. – Die Erfolgswerte der Mittleren lagen übrigens in allen Belangen, wie sie nachfolgend behandelt werden, in der Mitte.
Wer von Anfang an nur wenige durchschlagende Veröffentlichungen zu bieten hatte – es war meist nur die Doktorarbeit -, zeigte auch in den folgenden Jahrzehnten nicht mehr Erfolg. Andererseits waren die Hervorragenden schon früh zu erkennen.
Den relativ erfolglosen Professoren gelang von Anfang an kaum eine Arbeit, die zum internationalen Fortschritt beitrug. Fast jede wurde wenig oder nicht beachtet. Bei den hervorragenden Wissenschaftlern wurde hingegen auch der Durchschnitt der Publikationen überdurchschnittlich häufig zitiert.
Das Ausmaß des Erfolges der Professoren bestimmte sogar den Wert (und die Qualität) der Arbeiten, an denen mehrere Autoren teilnahmen. Partizipierten jedoch erfolglose Professoren an Publikationsgemeinschaften, blieb die Arbeit international relativ unbeachtet.
War ein Professor der Erstautor, schlug das unter 4. Festgestellte noch stärker durch. Im Mittel wurden deren Arbeiten viermal häufiger zitiert, als wenn die allgemein wenig Erfolgreichen Erstautoren waren. Außerdem veröffentlichten Erstere fast viermal so viel.
Plomp nimmt an, dass für Seniorwissenschaftler ohne
Professorentitel das Gleiche gilt: Die „Guten“ produzieren nicht nur mehr,
sondern werden pro Arbeit öfter zitiert. Sie bestimmen zudem die Qualität und
den Beitrag zum Fortschritt der internationalen Wissenschaften bei den
Forschungen von Arbeitsgruppen.
Aus dieser allgemeinen Erkenntnis zieht Plomp praktische Schlussfolgerungen für
einen Ratschlag: Da der wichtigste Grund für die Berufung von Professoren
darin besteht, „gute“ Forschung zu initiieren, reicht es für die Auswahl der
erfolgversprechenden Kadidaten nicht aus, sich nur die Zahl der Publikationen zu
orientieren. Auch die Berücksichtigung der Impakt-Faktoren der Zeitschriften, in
denen veröffentlicht wurde, genügt nicht. Hingegen ist besonders der
Zitationserfolg der Publikationen zu beachten.
Diese Forschungsergebnisse decken sich mit umfangreichen Studien in der
deutschen Medizin, wonach sich anhand von objektiv ermittelten Zitationsraten
früh erkennen lässt, wer in der Lage ist, „gute“ Forschung zu initiieren und wer
nicht (Elle et al., 1997; Lehrl, 1995).
Wissenschaftler wie die in den GaM-Bestenlisten (siehe Rahmen),
die Jahr für Jahr Forschung auf dem Niveau von Millionen Euro produzieren,
arbeiten meist unauffällig neben Mehrheiten von denen, deren messbare
Forschungsleistung unter 80.000 €, oft bei 0 €, liegt. Letztere sind häufig mit
gleichen akademischen Titeln und rechtlich mit etwa gleichen Kompetenzen
ausgestattet. Außerdem beziehen sie nahezu das gleiche öffentliche Gehalt.
Vergleicht man mit den Fußballstars scheint diese Gleichmacherei in den
Wissenschaften ungerecht oder undurchdacht zu sein, nicht nur zum Nachteil der
Hervorragenden, sondern auch der Gesellschaft, die sie mit öffentlichen Geldern
– wie deren weniger erfolgreiche Kollegen – finanziert. Wahrscheinlich ließen
sich die Beiträge zum Forschungsfortschritt bei vielen Talenten der Wissenschaft
noch steigern, wenn sie entsprechende finanzielle Anreize hätten und wenn man
ihnen Hemmungen aus dem Weg räumte, wie sie schon allein aus dem Vorhandensein
einer relativ unqualifizierten Konkurrenz erwächst, mit denen sie sich –
aufgrund der erörterten Gleichmacherei - ernsthaft auseinandersetzen müssen.
Die GaM-Bestenlisten
Sie beziehen sich auf die im Internet unter www.die-besten-nennen.de
zugänglichen Listen der führenden Forscher. Das Wort „GaM“ wurde
vorangestellt, um sie von anderen Bestenlisten wie solchen sportlicher
Leistungen oder FOCUS-Ärztelisten zu unterscheiden.
GaM bedeutet „Gesellschaft für angewandte Metaforschung mbH“. Diese
Gesellschaft bereitet die Listen zu.
Wie groß etwa sind die Unterschiede der finanziellen Werte
zwischen mittleren und herausragenden Forschern?
Zur groben Einschätzung kann man die Geldmenge zugrundelegen, welche die
Öffentlichkeit dafür aufbringt, dass eine Forschungsarbeit erscheint, die
international zitiert wird. In Deutschland gibt man für 1 Zitat rund 40.000 €
(R. May, 1997) aus. Das ist ein erklecklicher Betrag. Deshalb ist für die
steuerzahlende Öffentlichkeit schon interessant, ob jemand pro Jahr 10 mal und
in den 30 Jahren seines Berufes 300 mal so häufig zitiert wird wie sein Kollege
auf einer vergleichbaren Dienststelle.
Die in das Who´s Who der deutschen Medizin“ oder in die GaM-Bestenlisten aufgenommenen Wissenschaftler sind international so sichtbar wie wenigstens neun ihrer habilitierten bzw. professorierten Fachkollegen und zusätzlich viele ihrer „nur“ promovierten oder diplomierten Fachkollegen. Deshalb haben die „Besten“ einen hohen volkswirtschaftlichen Wert.
Die besonders leistungsfähigen Wissenschaftler haben nicht nur
den hohen Wert als je für sich arbeitendes Individuum, sondern sie beeinflussen,
wie die Untersuchungsergebnisse von Plomp eindrucksvoll belegen, obendrein ihre
Mitarbeiter positiv.
Auf Stars eingehen.
Ell C et al (1997) Forschungsaktivität und Forschungsqualität im Spiegel von Zitationsindizes. Z Gastroenterol 35: 23-28.
Lehrl S (1995) Die führenden Medizinforscher. Who´s Who der deutschen Medizin. Vless Verlag: Ebersberg.
May RM (1997) The Scientific Wealth of Nations. Science 275: 793-796.
Plomp R (1994) The Highly Cited Papers of Professors as an
Indicator of a Research Group´s Scientific Performance. Scientometrics 29:
377-393.
S.L.
Stand: 06.06.2003