Seit etwa einem Jahrzehnt ziehen einige Zeitschriften und Bücher
mit Bestenlisten das Interesse auf sich: Die besten Fernsehmoderatoren, die
besten Ärzte, die besten Universitäten usw.
Die Verfahren, die Besten festzustellen, beruhen meist auf Urteilen von Nutzern
oder Fachleuten.
Nutzer sind das Publikum bzw. Patienten oder Studenten. Wen halten sie für den
besten Moderator, Arzt, die beste Hochschule usw.? - Doch wie soll der Laie den
Fachmann beurteilen? Solches geschieht, wenn Schüler ihre Lehrer, Studenten ihre
Dozenten und Hochschulen, Patienten ihre Ärzte daraufhin bewerten, wie gut sie
ihre Sache machen.
In dieser Hinsicht verspricht man sich oft mehr von der Beurteilung durch
Fachleute. Denn diese sind Personen, die einen genauen Einblick in die
Hintergründe haben. Sie werden einzeln mittels Erhebungsbögen befragt oder
bilden eine Gruppe wie z.B. ein Kuratorium, in dem anlässlich einer Sitzung
durch Stimmabgabe ermittelt wird, wer oder was den ersten Rang erhält, den
zweiten, dritten etc.
Doch auch bei Fachleuten ist meistens wenig geklärt, was ihre globalen Urteile
bestimmt. Deshalb sind die Versuche wissenschaftlich verheißungsvoller, in denen
objektive Daten in die Bewertung einbezogen werden.
Bei objektiven Daten besteht jedoch die Gefahr, dass sie in Bezug auf das, was
man eigentlich erfassen will, nebensächlich oder gar aussagelos sind, also keine
Gültigkeit besitzen.
Wenn beispielsweise bei Ranglisten
von Universitäten die Ausstattung der Bibliotheken, die Anzahl der Dozenten pro
Student, die architektonische Ästhetik der Gebäude und die
Freundlichkeit der Mitarbeiter in die Bewertung eingehen, hat dies zumindest
nichts Erkennbares mit dem Auftrag der Universitäten zu tun, erfolgreich zur
Forschung und Lehre beizutragen. Wenn die Ranglisten den Erfolg der
Universitäten wiedergeben sollen, dann führen die angeführten Variablen eher in
die Irre. Wichtiger wäre es herauszufinden, was ihre Angehörigen tatsächlich zur
Forschung beisteuern und was die Studenten nach dem Studienabschluss wirklich
können.
Auch so manche Medizinerrangliste berücksichtigt, wie sich der Arzt bemüht, wie
schön das Wartezimmer, wie freundlich das Personal ist, rundum wie wohl sich der
Patient dort fühlt. In Bezug auf die Erkennung von Beschwerden und Krankheiten
und deren Behandlung ist aber wichtig, wie sicher sie diagnostiziert und wie
wirksam sie therapiert werden oder wie effektvoll ihnen der Arzt vorbeugen kann.
Diese Aufgabe wendet sich an die medizinische Kompetenz des Arztes. Dabei spielt
es keine Rolle, ob sein Wartezimmer eine Umgebung wie im Traumurlaub vermittelt.
Bei der Aufstellung von Bestenlisten auf dem geistigen Leistungsgebiet
entsprechen weder subjektive Einschätzungen noch nebensächliche objektive
Merkmale dem Stand der heutigen Möglichkeiten, geistige Leistungen gültig zu
erfassen. Deshalb ist es an der Zeit, diese Möglichkeiten zu verwirklichen. Das
geschieht am Beispiel der Bestenliste der Medizin.
Aus Gründen des geschichtlichen Interesses und um den Wert der neuen
Bewertungsmöglichkeiten daran leichter zu erkennen, werden im Folgenden auch
Bestenlisten auf dem geistigen Leistungsgebiet vorgestellt, die eher interessant
als nützlich sind.
Wer die Frage nach den Besten auf dem geistigen Leistungsgebiet dem heutigem
Erkenntnisstand gemäß befriedigend beantworten will, sollte sich damit
auseinandersetzen,
1. was man unter geistiger Leistung versteht,
2. wie man sie erfasst und
3. wen man alles einbezieht.
Das Gebiet der geistigen Leistungsfähigkeit deckt Intelligenz, Gedächtnis,
Wissen, geistige Kompetenz, teilweise auch Kreativität ab. Dabei verwenden viele
Fachleute heute den Begriff der Intelligenz als den Oberbegriff. Er entspricht
auch einem Teil der Kreativität. In diese geht jedoch zusätzlich die
Persönlichkeitseigenschaft ein, Mut zu Neuem zu haben, zu eigenen originellen
Produktionen zu stehen.
Bei der geistigen Leistungsfähigkeit hat sich eine Unterscheidung als besonders
wichtig erwiesen, die nach der aktuellen Leistungsfähigkeit (flüssige = fluide
Intelligenz) und nach den gespeicherten und wieder verfügbaren Erfahrungen, dem
Wissen und den Fertigkeiten (kristallisierte Intelligenz).
Die fluide geistige Leistungsfähigkeit entspricht umgangssprachlich der
aktuellen geistigen Fitness. Sie steht in folgender Beziehung zur
kristallisierten Intelligenz: Wer über mehr fluide Intelligenz als andere
verfügt, erwirbt im gleichen Zeitraum mehr Erfahrungen. Betreffen sie
beispielseweise das gleiche Fachgebiet, zeigt sich dieser Vorteil in einer
höheren fachlichen Kompetenz.
Subjektive Einschätzung: Ein viel begangener Weg zur Bewertung der geistigen Leistungsfähigkeit besteht in der subjektiven Einschätzung.
Eine auf dieser Methode beruhende Befragung an Laien
ließ die GfG Gesellschaft für Gehirntraining e.V. (www.gfg-online.de) im Jahr
2001 in der Absicht durchführen, einmal „dem Volk aufs Maul zu schauen“. In
einer Repräsentativerhebung an 2.000 Deutschen ab 14 Jahren wurde die Frage
gerichtet: “Welche der in Deutschland lebenden Personen halten Sie für geistig
besonders fit?” Viele antworteten erst nicht mit dem Hinweis, die Antwort sei zu
kompliziert. Doch dann nannten 1.547 von ihnen jemanden. Interessanterweise
fielen die Hälfte der Nennungen auf nur 11 Köpfe: Mit weitem Abstand vor den
nächsten teilten sich Gerhard Schröder und Günter Jauch die beiden ersten
Rangplätze. Dann folgten Helmut Kohl, Harald Schmidt, Richard von Weizsäcker,
Thomas Gottschalk, Helmut Schmidt, Joschka Fischer, Veronika Feldbusch, Peter
Ustinov und Stefan Raab.
An erster Stelle führten sie unter den geistig Fittesten Politiker (37%) und
dann Entertainer/Talk- oder Showmaster (28%) an. Deutlich dahinter lagen
Schauspieler (7%) und Sportler (4%). Wissenschaftler waren nicht dabei.
Wenn man nach der geistigen Leistungsfähigkeit fragt, erhält man Urteile, sogar weitgehend übereinstimmende. Doch was sind sie wert? Was weiß schon ein ungeschulter Erwachsener über geistige Leistungsfähigkeit? Wie leicht kann man ihn täuschen?
So wird er, wie angloamerikanische Experimente zeigen, eine Person plötzlich als viel intelligenter als zuvor einschätzen, wenn sie (Quiz-)Fragen an andere stellen darf (Ross L, Amabile T, Steinmetz J (1977) Social roles, social control and biases in the social perception process. J Pers Soc Psychol 37: 485-494).
Kann man sich auf die Urteile von Fachleuten eher verlassen? Zum Beispiel wenn Fachleute als Gutachter die wissenschaftliche Leistung eines Kollegen einschätzen oder wenn Professoren ihre Kollegen darauf hin bewerten sollen, wie gut sie als Wissenschaftler sind?
Einschätzungen wissenschaftlicher Leistungen durch -
meist - zwei Gutachter entsprechen der am häufigsten ausgeübten gegenwärtigen
Praxis. Auffällig und nicht gerade vertrauenserweckend sind die Ergebnisse
wissenschaftlicher Untersuchungen, wonach die Urteile verschiedener Gutachter
bei komplexen Gegebenheiten wie der wissenschaftlichen Qualität eines
Manuskripts nur wenig übereinstimmen (z.B. Daniel H-D (1993) Guardians of
Science. Fairness and Reliability of Peer Review. VCH Verlagsgesellschaft mbH,
Weinheim).
Noch viel komplexer sind Einschätzungen von führenden Wissenschaftlern. Denn
diese haben oft so viel geforscht, dass sie sich nicht einmal an einen Teil
ihrer eigenen Arbeiten genau erinnern. Wie soll dann ein anderer Wissenschaftler
deren Lebenswerk, z.B. bei einem Berufungsverfahren, kennen und beurteilen
können? – Dennoch wird er ein Urteil abgeben.
Erhebung objektiver Leistungen: Auf diese globalen Einschätzungen durch
Fachleute wird man sich in der Regel auch nicht verlassen. Aber es gibt ja über
geistige Leistungen objektive Daten. Wie steht es, wenn man diese in ein Urteil
einbezieht?
Weniger für Fachleute als Laien besonders beeindruckend sind Intelligenz- und
Gedächtnisleistungen, wie sie bei Guinness-Rekorden präsentiert werden.
So schaffte es Stephan Gruber, 52 gemischte Karten in 55 Sekunden in ihre Ausgangsordnung zu sortieren: Karo 2, Karo 3, Karo 4 usw. Tihomir Dragutinovic konnte 600 nach Zufall aneinandergereihte Nullen und Einsen fehlerlos wiedergeben, nachdem er sie sich 30 Minuten lang eingeprägt hatte.
Die Guinness-Bücher sind Sammlungen derartiger Rekorde. Diese Verzeichnisse
enthalten zwar spektakuläre, aber aus wissenschaftlicher Sicht nur
unsystematische Anhäufungen geistiger Leistungen. Die Rekordhalter lassen sich
nach ihrer geistigen Fähigkeit nicht in eine Rangfolge bringen. Denn ihre
Leistungen sind nicht vergleichbar. Somit bleibt die Frage unbeantwortet, ob im
obigen Beispiel Stephan Gruber dem Tihomir Dragutinovic geistig über- oder
unterlegen ist.
Vergleichbarkeit der Relevanz durch Intelligenztests: Für Vergleiche eignen sich
schon viel eher die Analysen von Biographien der Genies der Menschheit, die von
Catherine M. Cox öffentlich vorgelegt wurden.
Cox versuchte in dem Buchbeitrag „The Early Mental
Traits of Three Hundred Geniuses“ (in Terman LM (ed) Genetic Studies of Genius
Volume II: 1926) erfolgreiche Menschen der Weltgeschichte in der Intelligenz
miteinander zu vergleichen: Wissenschaftler, Schriftsteller, Künstler, Erfinder,
Feldherren usw. Dazu analysierte sie im Nachhinein deren Biographien und prüfte,
inwieweit berichtete geistige Leistungen wie das erste Lesen und Briefe
Schreiben früher oder später als bei der Mehrheit der Gleichaltrigen oder
altersgemäß erbracht worden waren. Waren von einem dieser später Erfolgreichen
mit acht Jahren Leistungen von typischen 12-Jährigen bekannt, erhielt er den IQ
100 x 12/8 = 150.
Goethe (IQ 210), Leibniz (205), Berkeley, Schelling (je 190) stehen nach dieser
Methode auf den vorderen Rängen, Schiller, Swedenborg, Zwingli (IQ 165) und
Kopernikus (160) im Mittelbereich. Garibaldi, Washington (IQ 140) und
Wallenstein (135) findet man mehr am Schluss.
Da die erhältlichen biographischen Daten bei Verstorbenen lückenhaft und
zwischen diesen Personen entsprechend nicht systematisch vergleichbar sind,
haftet diesen Versuchen, die Erfolgreichen der Weltgeschichte nach ihrer
geistigen Leistungsfähigkeit in eine Rangreihe zu bringen, eine erhebliche
Unsicherheit an.
In dieser Hinsicht sind die Vergleiche direkter Messungen mit den gleichen
Methoden, wie sie bei Lebenden mittels Intelligenztests durchgeführt werden,
zufriedenstellender. Diese setzen eine Person standardisierten Aufgaben aus, die
nicht nur Anforderungen an die geistige Leitungsfähigkeit stellen, sondern nach
wissenschaftlichen Analyseergebnissen nicht nebensächliche, sondern zentrale und
allgemeine Fähigkeiten (Generalfaktor der Intelligenz) messen. Falls keine
Störeinflüsse wie Testangst oder vorübergehende Hirnfunktionseinbußen vorliegen,
lässt sich aus den Ergebnissen grob schließen: Wer mehr als Gleichaltrige
erreicht, gilt als intelligenter.
Durch Umrechnungen kann man die Resultate von
Intelligenztests, die an Kindern gewonnen wurden, mit den Ergebnissen von
Intelligenztestungen Erwachsener vergleichen. Auf diese Weise wurde versucht,
unabhängig vom Alter die Leistungsfähigsten in Intelligenztests zu ermitteln.
Wer Ergebnisse wie der Beste unter einer Million Menschen erbringt, gilt als „Meganer“.
In den USA wurden inzwischen 20 identifiziert. Dazu gehören Bill Gates und
Marilyn vos Savant, die Frau, bei der angeblich der höchste IQ überhaupt
gemessen wurde.
Aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit in Intelligenztests müsste man annehmen, dass die Meganer in den Gebieten, in denen sie sich engagieren, die Besten werden müssten.
Geht man die veröffentlichten Namen der Meganer durch, fällt auf, dass von wenigen Ausnahmen wie Bill Gates abgesehen, die meisten nicht durch exzellente geistige Kompetenz aufgefallen sind. Eine der wenigen weltweit bekannten Meganer, Frau vos Savant, ist im Wesentlichen durch die Werbung hervorgetreten, über den „höchsten je gemessenen IQ“ zu verfügen. Ihre anderen Leistungen wie das Buch „Brain Building“, das sie weltbekannt gemacht hat, ist keinesfalls Weltspitze. Übrigens hat sie es überwiegend ohnehin nicht selbst geschrieben.
Bestenlisten als Ranglisten der geistigen Kompetenz in Realsituationen:
Intelligenztests enthalten nur Stichproben von geistig zu bewältigenden
Aufgaben, wie sie im täglichen Leben vorkommen können. Sie sind von ihren
Erfindern künstlich geschaffen worden, um mit geringem Aufwand über die geistige
Bewährung in Schule, Beruf und Alltag Vorhersagen zu ermöglichen.
Die direkteste Herausforderung an die geistige Leistungsfähigkeit stellen
demnach mehr oder weniger komplexe Sachverhalte in Beruf und Alltag selbst, mit
denen man sich auseinandersetzen muss.
In den geistigen Kompetenzen herrschen ebenso wie bei Intelligenztests große
individuelle Unterschiede und außerdem eine hohe, gar noch eine etwas höhere
Stabilität: In Grundlagenstudien über mehrere wissenschaftliche Fachgebiete
wurde die geistige Kompetenz untersucht. Dabei erwies sie sich als eine sehr
zentrale und relativ stabile Eigenschaft der Wissenschaftler.
So kennzeichnet die Fähigkeit, wissenschaftliche Veröffentlichungen zu erstellen, welche die Ergebnisse von Forschung wiedergeben, in vielen akademischen Berufen den Kern der Leistungsfähigkeit der Autoren. Außerdem unterscheiden sich die Vertreter derartiger Berufe in der Ausprägung dieser Eigenschaft, weshalb sich eine Rangliste erstellen lässt. Obendrein ändern sich die Rangpositionen meist über viele Jahre nicht erheblich (z.B. Ell C, Gunreben E, Kettner S, et al. (1997) Research activity of German gastroenterologists evaluated by means of citation indices. Z GASTROENTEROL 35 (1): 23-28). Diese Tatsache hat beispielsweise für Vorhersagen Bedeutung, die bei Förderungen anfallen wie zum Beispiel: „Wer bis zur Gegenwart nicht viel leistete, von dem ist auch in der Zukunft wenig zu erwarten.“
Die Individualität und Stabilität der geistigen Kompetenz, gemessen durch
wissenschaftliche Veröffentlichungen, korrespondieren mit den formal gleichen
Merkmalen, die man durch Intelligenztestungen erfasst. Darüber hinaus sind
Zusammenhänge zwischen IQ und geistiger Kompetenz im Alltag und vor allem in
geistig anspruchsvollen Berufen vielseitig belegt (siehe Weiss V (2000) Die
IQ-Falle. Intelligenz, Sozialstruktur und Politik. Leopold Stocker Verlag: Graz
- Stuttgart). Dennoch ist der geistige Leistungstest nur ein Prognoseinstrument.
Bestenlisten, die auf Ergebnissen in Intelligenztests beruhen, berechtigen
demnach bloß zu dem - vorsichtigen - Schluss: Wenn man die darin Führenden in
geistig anspruchsvolle Umwelten bringt, werden sie dort eine vergleichsweise
hohe Kompetenz erlangen.
Für Bestenlisten der geistigen Kompetenz ist letztlich jedoch nicht
entscheidend, wie das Ergebnis in Intelligenztests ausfällt, sondern wie sich
die Menschen in ihrem Umfeld tatsächlich bewähren, welche geistige Kompetenz sie
in geistig anspruchsvollen Lebensgebieten also wirklich entwickeln.
Vergleichbarkeit über verschiedene Realsituationen hinweg: Da sich die
Lebensgebiete der Menschen stark voneinander unterscheiden können, besteht die
Befürchtung, dass es vor allem individuelle, nicht miteinander vergleichbare
geistige Welten gibt. Lassen sich dann überhaupt Vergleiche der geistigen
Kompetenz und somit Bestenlisten über berufliche Gebiete hinweg durchführen?
Denn wie wertet man beispielsweise die Kompetenz eines erfolgreichen
Kleinunternehmers im Backgewerbe im Vergleich zu der eines Versicherungsjuristen
in einer Weltfirma?
Innerhalb der Wissenschaften, in die geistig Begabte immer mehr drängen, gibt es
jedoch schon über viele Fachrichtungen hinweg Vergleichsmöglichkeiten. Ihre
Gültigkeit setzt voraus, dass sich die geistigen Begabungen in den verschiedenen
Disziplinen etwa gleich verteilen, dass also jemand, der sich in der Spitze
seines Fachgebietes befindet, eine höhere geistige Kompetenz besitzt als ein
Vertreter eines anderen Gebietes, der dort mittelmäßig oder gar
unterdurchschnittlich ist. – Wie die ähnlichen Verteilungen der Ergebnisse von
Intelligenztests bei akademisch ausgebildeten Angehörigen verschiedener
medizinischer Disziplinen nahelegen, kann man im Großen und Ganzen davon
ausgehen.
Bestenlisten sind nur dann fair, wenn alle Personen einer Bezugsgruppe für die
Aufnahme berücksichtigt werden.
Kleinere genau begrenzte Gruppen wie eine Schulklasse lassen sich durchmustern,
wer in Betracht kommt. Dazu sollten eindeutige Kriterien für die Aufnahme in die
Liste definiert sein. Bei umfangreicheren, insbesondere nicht ganz exakt
definierbaren Bezugsgruppen wie den Angehörigen einer Berufsgruppe, die über
große geographische Gebiete verteilt sind, gelingt in der Regel nur eine
näherungsweise vollständige Erfassung der Berechtigten.
Auch in den meisten wissenschaftlichen Gebieten sind nur näherungsweise vollständige Erfassungen möglich, weil nicht immer genau definiert ist, wer dazu gehört. Hier stellen sich Fragen wie: Gehört der über eine chirurgisches Thema forschende Assistent, der noch keine chirurgische Facharzt-Anerkennung und noch keine Arbeit veröffentlicht hat, bereits zu den Chirurgen? Wie ordnet man ihn ein, wenn er sich gleichermaßen den allgemeinen Chirurgen und Orthopäden zuordnet? – Über die Habilitierten und/oder Professorierten liegen allerdings weitgehend vollständige aktuelle Verzeichnisse vor. Da aus diesen Reihen absolut und relativ die meisten Kandidaten für die Aufnahme in die Bestenlisten kommen, sichert dies deren näherungsweise Vollständigkeit.
Neben der Unschärfe der Definition der Zugehörigkeit zu Gruppen erschwert die
Dynamik der Kommenden und Gehenden sowie die teilweise Unverfügbarkeit halbwegs
umfassender und gültiger Listen, den Versuch der vollständigen Erfassung.
Um möglichst viele Wissenschaftler einer Disziplin zu erreichen, ist man daher
in der Regel auf die Mitarbeit von Medien angewiesen und darauf, dass Betroffene
und ihr Umfeld selbst daran mitwirken, die Rechtfertigung zur Aufnahme in die
Bestenlisten zu prüfen und gegebenenfalls weiter zu melden.
Voraussetzung für eine Mithilfe ist, dass die Kriterien für die Aufnahme bekannt
sind und dass sie bei der Erfüllung der Kriterien tatsächlich berücksichtigt
werden.
Anders als bei der Auswahl für die meisten „wissenschaftlichen“ Preise sind die Aufnahmekriterien für die Bestenlisten der deutschen Medizin prinzipiell bekannt. Sie bestehen hier darin, im eigenen Fachgebiet im Science Impact Index SII (siehe www.gam-erlangen.de) einen Wert zu erreichen, wie ihn die führenden 10 Prozent der Habilitierten und/oder Professorierten der deutschen wissenschaftlichen Fachrichtungen haben. Für die Gelehrten der deutschen Medizin wurden in einer Totalerhebung Normen ermittelt (siehe „Who´s Who der deutschen Medizin“ in www.gam-erlangen.de), die allerdings wegen der Veränderungen des Kollektivs an Wissenschaftlern und ihrer Leistungsfähigkeit ständig auf Verschiebungen überprüft und bei signifikanten Abweichungen neu angepasst werden. (Der jeweilige Stand ist daher zu erfragen.) – Jeder kann aber auch anhand des im Who´s Who der deutschen Medizin“ beschriebenen Vorgehens selbst aktuelle Normen ermitteln, um daran die Rechtfertigung für eine Aufnahme zu prüfen.
Die Sicherung einer weitgehenden Vollständigkeit der Aufnahme der geistig Kompetentesten ihrer Gebiete in die Bestenlisten erfordert also die Mithilfe der Kandidaten selbst oder ihrer Umgebung. Zusätzlich muss ihnen nach Erfüllung der Kriterien das Recht zur Eintragung in die Listen zugesichert sein.
In allen wissenschaftlichen Gebieten, die Erkenntnisse und Methoden von
internationalem Interesse liefern, können Bestenlisten der geistig
Kompetentesten nach dem gleichen Muster entwickelt werden. Mit dem
umfangreichen, aus vielen Fachrichtungen bestehenden Gebiet der Medizin wird ein
Anfang gesetzt. Deren Bestenlisten beruhen, wie oben schon in allgemeiner Form
erörtert, auf objektiven und validen Leistungen der Ausgewählten. Es sind die,
die im Vergleich zur Mehrheit der Fachkollegen Erhebliches zum
wissenschaftlichen Fortschritt der weltweiten Medizin beitragen.
Andere Merkmale wie Forschungsaufenthalte in den USA, Englischkenntnisse,
Kontakte zu bekannten Wissenschaftlern, gute Bewertung durch Gutachter,
Veröffentlichung in angesehenen Zeitschriften, Menge der eingeworbenen
Forschungsgelder, Ruf als Wissenschaftler, Dienstrang oder akademische Titel
korrelieren mit jenem Auswahlkriterium, spielen aber für die Aufnahme in die
Bestenlisten keine Rolle. Denn bei den Ausgewählten zählt nur deren
tatsächlicher Einfluss auf die Köpfe, besser: auf die Publikationen der
Fachkollegen.
Welcher Nutzen steht dem Aufwand der Erstellung von Bestenlisten gegenüber?
So weit es den Ausgewählten selbst betrifft, liegt der Hauptnutzen in der
leistungsgerechten Bewertung und Anerkennung.
Das Umfeld kann von den Ausgewählten erwarten, dass sie bei komplexen fachlichen
Problemen eher als durchschnittliche Fachkollegen adäquate Lösungen finden und
dass sie wissen, wie man effizient und erfolgreich forscht. Letzteres hat für
forschungsinteressierte Mitarbeiter und Fachkollegen Bedeutung.
Wie Studien zudem zeigen, wirkt sich die Anwesenheit erfolgreicher Forscher auf
ihr gesamtes wissenschaftliches Umfeld förderlich aus. Dies nutzt auch
übergeordneten Einrichtungen wie Abteilungen, Instituten, Fakultäten. Deshalb
kann ein Entscheidungsträger, der die Leitung einer Einrichtung durch jemand aus
der Bestenliste für Jahre besetzt, nach empirischen Studien mit Recht erwarten,
dass hier erfolgreiche Forschung geleistet wird. Demgegenüber können zum
Beispiel Besetzungen von Leitungspositionen durch mittelmäßige Forscher kaum zu
international durchschlagenden Erkenntnissen und Methoden führen.
Letztlich wird man davon ausgehen, dass viele erfolgreiche Forscher an den
„richtigen“ Stellen nötig sind, um die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit
ganzer Regionen und Staaten auf ein hohes Niveau zu bringen und dort zu halten.
Die Bestenlisten können also wichtige Orientierungshilfen für mehrere Zwecke
sein.